Trockene Luft oder feuchter Staub?

Autor: Alfred Eisenschink

"Zentralheizung macht trockene Luft! - Trockene Luft ist ungesund!"
Und deshalb muß die Luft befeuchtet werden.


Auf mindestens 50 Prozent relative Feuchte! Diese Sprüche kennt jeder. Klavierhersteller lehnen für ihre klingenden Möbel die Garantie ab, wenn "55 Prozent" (rel. Feuchte) im Musikzimmer unterschritten werden. Aus dem Radio tönt es morgens um 7 Uhr: "München, sonnig, 8 Grad, relative Feuchte 70 Prozent!" Und alles ist kompletter Unsinn. Lehnen Sie sich zurück, Sie werden gleich verstehen warum.

  1. Fehler: Zentralheizung macht trockene Luft. Ein Doppelfehler!
    Fakten:
    Seit ihren Anfängen um 1890 erwärmen Zentralheizungen mit den berüchtigten Radiatoren,mit Konvektoren und auch neuere Fußbodenheizungen die Atemluft unserer Wohn- und Arbeitsräume.Zwischen den Rippen und Platten der Heizkörper erhitzt sich die Luft, wird dadurch leichter und steigt nach oben unter die Zimmerdecke. Aus der Schicht über dem Boden strömt kältere Luft an die Heizflächen nach. Diese ständige Luftbewegung bringt Staub vom Boden in Schwebe. Beim Hin- und Hergehen wirbeln wir zusätzlich Staub auf, und noch mehr, wenn Zimmertüren zu kälteren oder wärmeren Räumen geöffnet und geschlossen werden. Temperaturunterschiede bedeuten auch Druckunterschiede, und diese gleichen sich beim Öffnen von Türen sekundenschnell aus.Staubaufwirbelei und Luftbewegung führen zu einer beachtlichen Staubfracht in der Atemluft. "Zentralheizung macht staubige Luft!" muß das Urteil also richtig lauten. Der zweite Teil des Doppelfehlers steckt im Fehlurteil über die Trockenheit dieser staubigen Atemluft. Der feine Staub setzt sich an unseren feuchten Lippen und an den Schleimhäuten des oberen Atemtrakts, also in der Mund- und Nasenhöhle, aber auch auf der nackten Haut ab. Die Myriaden feinster Staubteilchen, auch Blütenpollen, vergrößern mit ihren Oberflächen die Hautoberfläche ganz  gewaltig. Damit wird in eben solcher Weise die Wasserverdunstung dieser mit Staub beladenen Hautstellen verstärkt. Davon werden erst die Lippen trocken und danach wird der Hals kratzig. Bisweilen juckt sogar die Haut am Hals und an den Armen. Der Staub hat sie ausgetrocknet. Und das passiert auch, wenn Luftbefeuchter an den Heizkörpern hängen oder gar elektrische Geräte literweise Wasser in die Luft versprühen.
  2. Fehler: Trockene Luft ist ungesund. Davon trocknen die Schleimhäute aus.
    Fakten:
    Es gibt kaum eine Falschmeldung, die sich schon länger und ähnlich hartnäckig gehalten hat. Daß dies nicht stimmen kann, haben Sie selbst schon ein Leben lang immer wieder erfahren: Sobald Ihnen kühle Luft ins Gesicht weht, sei es beim Spazierengehen, beim Radfahren oder erst recht beim Skifahren, läuft die Nase und die Augen tränen. Kühle Luft, und  ganz besonders bei Temperaturen unter null Grad, ist praktisch trocken; 
    trockener geht's nicht. Je trockener die Luft, um so stärker die  Sekretion, das ist der Schleimfluß, aller davon betroffenen  Schleimhäute, und zwar bis in die Lungenspitzen. Überlegen wir doch  einmal: Wenn wir gegen trockene Luft empfindlich wären, könnten wir, wie übrigens alle Luftatmer des Tierreiches, keinen Winter überleben, weil  wir vertrocknen würden. Die Natur mußte vorsorgen und sie hat das in  überzeugender Weise vollbracht.
  3. Fehler: Mindestens 50 Prozent relative Feuchtigkeit sind nötig; darunter muß befeuchtet werden.
    Fakten:
    Ehe unser Hausmeister den Hof kehrte, sprengte er mit der Gießkanne das Pflaster. Er wußte noch, daß Wasser den Staub kurzfristig binden kann. Doch was hat dieser Umstand mit unserer Atemluft zu tun? - Seit es auf diesem Globus Wasser gibt und drum herum Luft, ist diese Luft mehr oder weniger feucht. Zu keiner Zeit aber war an irgendeiner Stelle der Atmosphäre die relative Feuchte auch nur einen Augenblick konstant. Sie nahm mit der Temperatur der Luft stets ab oder zu. "Relativ" bedeutet für den Wassergehalt der Luft nämlich bezogen "auf die Sättigung der Luft mit Wasserdampf". Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf aufnehmen als kältere. Die höchstmögliche Sättigung nennt man 100 Prozent relative Feuchtigkeit, aber der jeweilige Sättigungsgrad ändert sich ständig mit der Lufttemperatur (und mit der Dampfspannung, aber das hier ist kein Physik-Lehrbuch). Wollte man nun die Luftfeuchtigkeitin einem Raum erhöhen, der durch Fenster und Türen mit der Außenluft verbunden ist, so kommt das dem Versuch gleich, im Bodensee hinter einem Gitter oder einem Fischernetz ein beheiztes Schwimmbad einzurichten. Da bleibt das Wasser ebenso wenig warm, wie in einem Zimmer die Luft feucht. Durch Fenster und Ritzen, durch Türen und von Raum zu Raum verschwindet die "Feuchte". Von Mauerputz, Tapeten, von Holz, Teppichen und Textilien wird sie zeitweise gepuffert. Nur in der Luft bleiben die flüchtigen Prozente nicht. Diese Zusammenhänge hätten längst unsere Ärzte erklären können. Damit ist aber nicht zu rechnen, solange noch Luftbefeuchter in Arztpraxen betrieben werden. Und damit geht es gleich weiter.
  4. Fehler: Die relative Feuchtigkeit wird im Radio durchgesagt. Es sind immer 60 bis 100 Prozent.
    Muß die Luft doch feucht sein!?
    Fakten:
    Die relative Feuchtigkeit ist mit billigen Haarhygrometern leicht zu messen. Ein Zeiger zeigt die Prozente an. Das hat sie populär gemacht. Der Meßwert allein hat keinerlei Aussagekraft. Was sagen schon Ihnen 50 Prozent, solange Sie nicht wissen wovon? Im Radio hören Sie deshalb stets die Temperaturangabe dazu: "München, sonnig, 8 Grad, 70 Prozent relative Feuchtigkeit". In einem physikalischen Diagramm können sie ablesen, daß diesen Meßwerten ein Wassergehalt von 5 Gramm je Kilogramm (g/kg rockener Luft entspricht. Und darauf kommt es an. In der Biologiestunde haben Sie von der inneren Oberfläche der menschlichen Lunge gehört. Alle Röhren und Bläschen zusammen ergeben rund 100 Quadratmeter. Wie groß ist Ihre Wohnung, ebenso groß? - Gut! Den nächsten ganz normalen Atemzug blasen Sie in eine kleine Plastiktüte und schätzen das Volumen ab.

    Etwa ein Liter - auch gut!

    Dieser ausgeatmete Liter Luft hatte Kontakt mit 100 Quadratmetern Lungenfläche. Verteilen Sie - aber bitte nur gedanklich - einen Liter Wasser auf den Boden Ihrer ganzen Wohnung. Die Dicke des Wasserfilms erreicht dann nach Adam Ries ein Hundertstel Millimeter. Und ebenso dünn ist die Luftschicht dieses einen Versuchs-Liters Atemluft in Ihrer Lunge gewesen. Nun ist es in der Lunge 37 °C warm und 100 Prozent feucht. Davon wird die dünne Atemluftschicht 37 °C warm und zu 100  Prozent mit Wasserdampf gesättigt. Aus der erwähnten Tabelle lesen Sie den Wassergehalt der Ausatmungsluft ab mit 42 Gramm (Wasser je Kilogramm trockener Luft. Weil dieser Benennungsbandwurm zu umständlich ist, kaum ein Mensch sich ein Kilogramm Luft vorstellen kann, aber g/kg soviel wie ein Tausendstel bedeutet, schreiben wir fortan von "Promille Wassergehalt" - Einverstanden? Laut obiger Radiomeldung enthielt die Einatmungsluft nur 5 Promille Wasser; das heißt die Ausatmungsluft konnte mit 37 Promille Wasser in der Lunge "beladen" werden. Und genau das ist entscheidend. Sie haben das schon Ihr Leben lang empfunden. Beim Novemberspaziergang, Radiomeldung "4 Grad, 98 Prozent..." atmen Sie die frische Luft leicht und genüßlich ein und aus. An einem schwülen(!) Julitag, Radioansage "26 Grad, 55 Prozent...", fällt das Atmen unter den bleigrauen Wolken schwer. Im Diagramm lesen wir für die frische Novemberluft 4 und für die schwüle Juliluft 10,5 Promille Wassergehalt ab. Beide Lüfte atmeten Sie mit 42 Promille aus. Der ersten konnten Sie (42-4=) 38, der zweiten "nur" (42-10,5=) 31,5 Promille mitgeben. Erkennen Sie nun den Unterschied zwischen trockener und feuchter Atemluft?
    6 Promille weniger Wasserfracht empfinden wir bereits als "schwer" gegenüber "leicht". Kurioserweise wiegt feuchte Luft weniger als trockene, weshalb die Wolken am Himmel schweben. Feuchtwarme Luft nennen wir zurecht "schwül", und das ist eben nicht gut, sondern lästig. Völlig bedeutungslos bleibt ohne Temperaturangabe der Zahlenwert der relativen Feuchte. Daß Klavierverkäufer das nicht wissen, sei denen nachgesehen.


    Aber unseren Ärzten, gar den Meteorologen?

    Sprechen Sie mit Ihrem Arzt!

    Wenn es ein Professor ist, wird er Ihnen sagen, die Physiologie der Atmung ist eine abgeschlossene Wissenschaft, da gibt es nichts mehr zu diskutieren. Und Meteorologen melden, was verlangt wird, eben die relative Feuchte.

Ende? - Keinesfalls! Wir sind ja noch nicht am Ende unserer Nachdenklichkeit.

Folgen:
Weil erwärmte Luft fälschlich als trocken eingeschätzt wird, statt wie es richtig ist als staubig, und trockene Luft als schädlich, konnte sich über 100 Jahre ein Fehlverhalten einstellen. Dessen Wirkung erweist sich bei näherem Hinsehen als geradezu unglaublich. Die physiologisch falsche Luftheizerei wurde gepflegt und auf die Spitze getrieben. Mit dem natürlichen Luftauftrieb an Gliederheizkörpern war deren natürliche Leistungsgrenze gegeben. Um höhere Wärmeabgabe zu erreichen, wurden Konvektoren in Schächte gezwängt, die mit Kaminwirkung mehr Warmluft und damit zwar mehr Wärmeabgabe aber auch umso mehr Luftumwälzerei brachten. Doch nicht genug damit: Viele Schlauberger betätigten sich als Erfinder und setzten Ventilatoren ein. Aus "Kachelofen-Warmluftheizungen" bliesen die Propeller und Schaufelräder heiße Staubwolken. Nicht anders die "Nachtstrom-Speicheröfen". Recht hatte er. Die deutschen Ofenbauer waren von dieser staubigen Technik derart hingerissen, daß sie ihre Zunft in "Kachelofen- und Luftheizungsbauer" umbenannten. Die Kacheln um diese Monsteranlagen herum waren nur noch beschönigende Kulissen.

Als Energiesparen Mode wurde, erkannte man richtig, daß die aufgeheizte Warmluft durch Fenster und Türen, ja sogar durch deren Ritzen mit Energie beladen davon weht - denken Sie an das Schwimmbad im Bodensee. Scheinbar logische Abhilfe: die Ritzen abdichten. Damit hielt man die Flöhe im Sack. Daß wir Menschen aber zusammen mit den Flöhen im Sack stecken, bedenkt bis heute keiner. Stauballergien und Neurodermitis sind Folgen.

Jedes achte Kind hat in Deutschland heute Asthma. Alles wegen der "trockenen" Luft? - Nein, wegen der Millionen Tonnen Staub, die wir mit Luftheizerei aufwirbeln und mit großem Aufwand an Energie in Schwebe halten. Wir sind genetisch auf trockene, kühle und staubfreie Atemluft angelegt. Die gab es immer schon in ausgeprägter Qualität in Gebirgstälern, beispielsweise in Graubünden. Von schnee- und eisbedeckten Gipfeln gleitet dort kalte, trockenste Luft in die Täler, erwärmt sich und wird noch trockener dabei. Die Menschen hängen dort im Winter rohes gepökeltes Fleisch vors Fensterkreuz, und es trocknet ganz schnell zu "Bündner Fleisch". Eine Konservierungsmethode ohne Chemie - das Salz ist wegen des Geschmacks dran. In der trockenen Luft des Kurortes Davos heilte man Lungenkrankheiten.

Aber wir befeuchten die Atemluft. Weil es uns Ärzte "verordnen". Die Meteorologen machen mit, verkünden die nutzlose relative Feuchte. Würden diese Institutionen den Wassergehalt der Luft melden, könnten Allergiker und Asthmatiker damit etwas anfangen. Mit 4 Promille (Wassergehalt, bitte!) morgens um sieben, wüßten die Bedauernswerten, da kann ich atmen, da kann ich mich draußen bewegen. Bei 12 Promille Wassergehalt (wir schreiben es doch weiterhin dahinter) schon um sieben Uhr früh, bleibe ich besser zuhause. Bis am Nachmittag werden das unerträgliche 15 Promille draußen, und da sind es im Haus weniger, und ich kann besser atmen. Ein Meteorologe von Deutschlands ältester Wetterstation hatte den Zusammenhang begriffen. Stolz wollte er sein neues Wissen den Kollegen - alles akademische Wetterfrösche - verkünden. Ergebnis: keiner redete mehr mit ihm.

Sie haben, verehrte Leser, alles was Sie verdienen:

Staub in der Heizungsluft, dichte Häuser, Allergien, Asthma, Ärzte mit Luftbefeuchtern in den Praxisräumen und Meteorologen, die Unsinn melden.

Wir sagen: Schluß mit dem Unsinn!

Kein sancal Kunde hat in den letzten 35 Jahren jemals nach der relativen Feuchtigkeit gefragt, wenn er auch nur wenige Tage das Klima der strahlenstarken Heizleisten erlebt hatte. Tausende lobten und loben das erfrischende Raumklima, erzählen von offenen Türen im ganzen Haus, natürlich im Winter, berichten von Besuchern, die spontan nach der Heizart fragen, "weil das hier so auffällig angenehm ist". Klaviere verstimmen sich nicht mehr, Allergien verschwinden, und, und, und...

Und worauf warten Sie noch?



Anm.Ingo Rhein:

Ich bedanken uns ganz herzlich und ehrlich bei Alfred Eisenschink, sein Buch "Falsch geheizt ist halb gestorben" (gibt es leider nur noch bei eBay, gebraucht bei Amazon oder in der Bibliothek) stand am Beginn meines Weges, weg vom ökologischen korrekten zu einem gesunden Haus und damit auch am Beginn meines Weges zu einfach-gut-gebaut und radia-therm.